Kreativer Motor ist Richard Steiff.
Aus Neigung und Hobby ist er der Fliegerei erlegen mit staunen und Bewunderung verfolgt er die ersten Versuche von motorgetriebenen Flugmaschinen. Mit Faszination beobachtet er die Arbeiten des Grafen Zeppelin im nahegelegenen Friedrichshafen am Bodensee. Kein Wunder, daß ihn diese technische Entwicklung völlig gefangen nimmt und eigene Wege gehen läßt. Fliegen, der uralte Traum der Menschheit - Richard Steiff verwirklicht ihn auf seine Weise. Nach Beobachtungen des Vogelflugs, vielen Berechnungen und Versuchen beginnt er schon im Jahre 1908 mit den Vorarbeiten. Margarete Steiff kann seine erste Konstruktion noch bewundern:
Einen schwanzlosen, zusammenlegbaren Stoffdrachen.
Er erhält die Bezeichnung „Roloplan“ und sorgt auf flugsportlichen Veranstaltungen für großes Aufsehen. Er wird viele erste Preise gewinnen und ein neuer Kassenschlager für die Spielwarenfabrik werden.
Als Geschmacksmuster wird der Roloplan am 3. Juli 1909 mit einem Foto registriert :
180/2 cm Größe, blau/gelb mit gebogenen Tonkinstäben, seitwärts mit Tonkinstützen, sowie anstatt Stabilisierungsfläche nur mit Stoffschlauch.
Wie einfach und praktisch der Roloplan Schritt für Schritt aufgebaut werden kann,
zeigt diese Foto-Serie.
Am 20. August erhält die Fabrik das Warenzeichen " Roloplan " zuerkannt für, Luftballons, Luftfahrzeuge jeglicher Art, Aeroplane, Drachenflieger, Gleitflieger, Spieldrachen aus Stoff oder aus Papier, er mit dieser Begründung sind die Absichten Richard Steiffs, den Roloplan als eigenständigen Beitrag in den Wettlauf um die Vorherrschaft in der Luft starten zu lassen, klar erkennbar. Erste brauchbare Flugzeuge und die erfolgreichen Starts des Zeppelins eröffnen dem Roloplan eine unverhoffte populäre Marktlücke. Das Drachenmodell, das Steiff ab 1909 verkauft, hat zwei oder drei Stoff-Flächen, ist stabil gebaut, mit Bambusstäben leicht aufzuspannen und im Nu wieder zusammengerollt. " Für Sport und Spiel " offeriert ihn der Katalog.
Und: Er wird auch mit Vorliebe und Erfolg von Aeronauten zur Messung der Luftströmungen und sonstigen aviatischen Zwecken verwendet."
|
Studio Aufnahmen für die Roloplan Werbung |
Der größte Roloplan ist 3,60 Meter hoch, der kleinste mit zwei Stoffflächen mißt 1,20 Meter. Der Drachen-Zug ist so stark, daß nur eine stabile Rolle aus Stahlblech die Schnur zu halten vermag. Die großen Drachen müssen zusätzlich mit einer Verankerung am Boden festgehalten werden. Denn je nach Windstärke entwickelt der Drachen eine ungeheure Kraft, die Richard Steiff für ungewöhnliche Zwecke nutzbar macht.
Der Roloplan ist so konstruiert, daß er selbst bei mäßigem Wind bis zu 1000 Meter Höhe erreichen kann, und dabei schwebt er ruhig wie ein Vogel.
Das neue Wind- und Luftspielzeug wird ein so großer Erfolg, daß eine eigene Abteilung mit Werkstatt auf dem Steiff - Firmengelände eingerichtet werden muß.
|
|
Für besondere Größen sind sehr stabile Befestigungen notwendig. |
Für den Flug kleiner Kinder wird ein Tragekorb konstruiert. |
|
|
Der Schlitten wird vom Roloplan gezogen. |
Der Roloplan im Sondereinsatz. Direkt unter dem Drachen kann eine Kamera mit komplizierten Auslöser befestigt werden. |
Die größten Modelle des Roloplans werden auf den weitläufigen Wiesen in Giengen für Experimente eingesetzt.
So läßt sich Richard Steiff von ihnen auf einer eigens konstruierten Haltevorrichtung in die Lüfte tragen.
Für die Höhenfotografie entwickelte er, " für jede Schlitzverschlußkamera " einsetzbar, ein " Steiff-Stativ ", das die Kamera hält. Mittels Seilzug kann eine Aufnahme nach der anderen geschossen werden. Richard Steiff gelingt es somit als erstem, einen Drachen für die Fotografie aus großen Höhen einzusetzen. Wieder einmal schreibt er mit dieser Entwicklung Fortschritt und Zeitgeschichte.
|
|
Die Kraft zweier 3-Meter-Roloplane ist so stark, daß Richard Steiff sich von ihnen in die Lüfte tragen lassen kann. |
Der Korb mit Richard Steiff wird durch Klavierdraht gehalten. |
Die Technik der Luftaufnahme war schon seit 1856 von dem berühmten französischen Fotografen Nadar
zur Perfektion entwickelt worden; aber wer von oben fotografieren wollte, mußte sich zumindest einen Ballonflug leisten können. Richard Steiff machte aus diesem zeit- und kostenaufwendigen Aufnahme Verfahren eine
billige und einfache Methode für jedermann: das Stativ kostete 21 Mark,
ein geeigneter Roloplan zwischen 10 bis 33 Mark.
|
Für die Fertigung des Roloplan wird einen eigene Abteilung eingerichtet. |
Steiff läßt keine Gelegenheit ungenutzt, seinen ungewöhnlichen ,Drachenflieger" zu präsentieren und an Wettbewerben teilnehmen zu lassen. Natürlich gewinnt der Roloplan einen Preis nach dem anderen.
Katalogtext:
Steiff-Roloplan ist überlegener Sieger auf allen Flugkonkurrenzen.
Frankfurt a. M. 1909: sämtliche Roloplane, die sich am Wettfliegen beteiligten, errangen Preise.
Scheveningen (Holland) 1910: 1. Preis für 800 m Höhe;
Namur (Belgien) 1910: Preise für Höhe, Entfernung, Tragkraft, Stabilität, Signalisation, Höhenfotografie;
Ostende (Belgien) 1911: 1. Preis und offizielles Diplom von Aeroclub Belgique.
|
Diplom für den Roloplan im Wettbewerb 1911 beim Aero Club in Ostende/Belgien |
Mit Roloplan kann man auch Reklame fliegen. Viele Geschäftsleute kaufen den Drachen und lassen sich schon bei Steiff ihren Namen au die Stoff-Flächen schreiben. Auch das deutsche Militär hat den Roloplan für sich entdeckt. In der Größe von 3,60 m und mit einer Tragkraft von etwa 30 kg, wird er aus hellem Aeroplan-Stoff hergestellt. Dieser Typ, ,besonders stabil konstruiert, ist bei vielen Truppenteilen als Zielobjekt mit Erfolg im Gebrauch.
Mit anderen Worten: am Roloplan übt die Artillerie des Deutschen Kaiserreiches das Abschießen von fliegenden Objekten.
Als im Jahre 1915 zum ersten Mal im Katalog ein Foto abgebildet wird, das einen Roloplan mit befestigtem Korb und einem " fliegenden " Menschen zeigt, heißt es im Begleittext :
Diese beiden Aufnahmen veranschaulichen die große Tragfähigkeit der Steiff-Roloplane. Die Versuche sind mit Lebensgefahr verbunden. Vor leichtfertiger Wiederholung wird nachdrücklich gewarnt!
Inmitten der Wirren des Ersten Weltkrieges hat die Firma Steiff also die offiziellen Militärs mit diesem Text und Fotos noch einmal an die " vielseitige " Verwendbarkeit des Roloplans erinnert.
Übrigens werden zwischen 1910 bis 1915 nach Unterlagen von Steiff über 34.000 Roloplane verkauft.
|
Auch Drachenflugzeuge hat Richard Steiff konstruiert, die Versuche werden zu hoher Kosten abgebrochen. |
Diese interessante Material stammt aus den Buch:
KNOPF im OHR
von Jürgen und Marianne Cieslik.
ISBN 3-921844-16-9